Juni 2020

Präzis dosierte Impulse stellen die Gelenkfunktionen wieder her.

Manchen Patienten ist es einerlei, wie Chiropraktik wirkt: Hauptsache, sie wirkt. Andere wollen genau wissen, weshalb fein dosierte Impulse - manchmal gar nur ein einziger - auf ein Gelenk eine so grosse Wirkung haben und es von Bewegungseinschränkungen und Schmerzen befreien.

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Der Chiropraktor verlässt sich bei seiner Behandlung auf verschiedene manuelle Techniken - also Techniken, die er mit seiner Hand ausübt. Seine Absicht ist es, Blockaden eines Gelenkes zu beheben oder dessen verringerte Beweglichkeit wieder voll herzustellen. Dazu bewegt er das Gelenk mit einem genauen, fein dosierten, manuellen Impuls. Das Gelenk bleibt dabei aber immer innerhalb seiner natürlichen Bewegungsgrenzen. Der Impuls auf das Gelenk trennt die blockierten Gelenkflächen, stellt seine Beweglichkeit wieder her oder verbessert sie zumindest. Der Chiropraktor renkt Gelenke übrigens weder ein noch aus.

Wir folgen nun der Arbeit des Chiropraktors bei der Behandlung eines Gelenkes - auch Wirbelgelenke sind Gelenke - Schritt für Schritt beziehungsweise Griff für Griff. Dabei machen wir  Bekanntschaft mit allen Teilen des Körpers, denen in diesem Ablauf eine Rolle zukommt.

So genannte echte Gelenke treffen einander in Gleitflächen aus Knorpel. Die Gelenkkapsel, in der sich Gelenkflüssigkeit befindet, umschliesst die meisten dieser Gelenke. Die Gelenkflüssigkeit ernährt den Gelenkknorpel, schmiert die Gelenkflächen und dämpft Stösse. Zusammengehalten werden die Gelenke von Gelenkkapsel, Bändern, Sehnen und dem Unterdruck in der Gelenkkapsel. Ein feiner Unterschied: Bänder verbinden Knochen mit Knochen, Sehnen verbinden Knochen und Muskeln; Sehnen übertragen die Kraft der Muskeln auf die Gelenke. 

Es gibt zwei Arten von Gelenken:
 Echte Gelenke bestehen aus zwei so ge
nannten Gelenkpartnern, getrennt von einem 
Gelenkspalt und zusammengehalten von der Gelenkkapsel. Davon gibt es im menschlichen Körper etwa 100. Hinzu kommen etwa 250 weitere gelenkige Verbindungen, die sich bewegen lassen und mit Bändern, Sehnen oder Knorpel verbunden sind. 

Die Muskeln sind die aktiven Teile der Gelenke: Sie haben eine Grundspannung, die vom Nervensystem bestimmt und kontrolliert wird. Bei Stress, nach Zufuhr von Koffein oder Nikotin, bei Erregung etc., steigt die Grundspannung der Muskulatur. Rezeptoren, die es in den Gelenken, in Muskeln, Bändern, Sehnen und der Haut gibt, dienen den Muskeln als Sensoren. Sie erfassen äussere und innere Reize wie Kälte, Hitze, Dehnung und Druck und übertragen diese Empfindungen in eine Form, die das Nervensystem versteht und übermitteln sie in das Rückenmark, die Verlängerung des Gehirns. Im Gehirn werden die Informationen verarbeitet, bevor sie zurückgeleitet werden.

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Je grösser die Menge der Informationen, die ins Gehirn und ins Rückenmark gelangt, desto zahlreicher die Informationen, die zurück zu den Gelenkrezeptoren fliessen, zu den Muskeln und zum vegetativen Nervensystem. Wird zum Beispiel ein Fuss verletzt, gelangt eine grosse Zahl an Information über diesen Vorfall zur Verarbeitung ins Rückenmark und ins Gehirn - und entsprechend mehr Informationen werden in die betroffenen Muskeln übermittelt: Muskelspannung und Schmerz steigen. In der Regel haben Informationen aus einem bestimmten Bereich ins Rückenmark auch Informationen zurück in denselben Bereich zur Folge: Nach einer Verletzung des Fusses etwa gelangen Befehle zum Reagieren hauptsächlich an die Muskulatur im Fuss, im Ober- und im Unterschenkel. 

Das zeigt, dass der Zustand der Wirbelsäule das Nervensystem stark beeinflusst: Nur wenn die Wirbelsäule ohne Störungen funktioniert, gelangen von den Wirbelgelenken wenig Informationen ins Rückenmark und ins Gehirn und zurück in die Muskulatur: Die Muskelspannung ist dann normal, und die Muskulatur ist einsatzbereit. 

Wenn jedoch beispielsweise ein Wirbelgelenk blockiert und damit die Funktion der Wirbelsäule gestört ist, erhöhen die zuständigen Sensoren, die Rezeptoren in den Wirbelgelenken, den Fluss der Information ins Rückenmark und ins Gehirn. In der Folge werden auch mehr Signale zurück in die Muskulatur gesandt. Diese Signale gelangen dann nicht nur in die Muskeln im betroffenen Teil der Wirbelsäule: Auch die Muskulatur peripherer Gelenke, also entfernt liegender Gelenke, die Anweisungen aus dem betroffenen Abschnitt der Wirbelsäule erhalten, sind in diesem Fall mitbetroffen. 
Diese Muskeln erhöhen jetzt ihre Grundspannung. Werden sie nun bewegt, ziehen sie sich stärker zusammen als es für ihre Aufgabe erforderlich ist, und die zu hohe Spannung verringert die Durchblutung des Muskels. Weniger Durchblutung des Muskels aber bedeutet weniger «Nahrung» für die Muskelzellen; sie kann sich nicht mehr lösen, die Muskelfunktion ist eingeschränkt, weil Kraft und Bewegungsumfang verringert sind.

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Und schon ist man in einem Teufelskreis gefangen: Das betroffene Gelenk wird, da es in seiner Funktion eingeschränkt ist, falsch belastet. So wirken bei jeder Bewegung andere und höhere Zug- und Druckkräfte, als wenn alles in Ordnung wäre. Knorpel, Gelenkkapsel, Bänder und Sehnen, aber auch andere Muskeln werden in Mitleidenschaft gezogen, denn diese müssen Aufgaben übernehmen, für die sie nicht vorgesehen und vorbereitet sind. Die Konsequenzen sind Fehlfunktionen, Entzündungen von Sehnen und Schleimbeutel, gar Verletzungen von Muskeln und Schmerzen. Diese Schmerzen zwingen zu einer Schonhaltung, die die bis anhin unversehrten Gelenke und Muskeln belastet und mit der Zeit in meist schmerzhafte Mitleidenschaft zieht. 

Jetzt beginnt der Chiropraktor mit seiner Intervention: Er muss den Schmerzkreis durchbrechen. Mit chiropraktischer Behandlung behebt er die Störung, zum Beispiel die Blockade im betroffenen Wirbelsäulengelenk. So vermindert er den erhöhten Informationsfluss ins Rückenmark, die betroffene Muskulatur erhält wieder die normale Informationsmenge, ihre Grundspannung normalisiert sich. In der Folge wird die Muskelfunktion besser, die Fehlbelastung nimmt ab, Reize und damit auch Entzündungen werden geringer. 

In manchen Fällen hört und spürt der Patient bei der Behandlung ein Knacken im Gelenk: Trennt der Chiropraktor die knöchernen Gelenkpartner voneinander, entsteht im Gelenk ein Unterdruck, ein Teil der Gelenkflüssigkeit verändert ihren Aggregatszustand und wird gasförmig. Dabei kommt es zum charakteristischen Knacken, das übrigens keine Schmerzen bereitet. 

In vielen Fällen überfallen einen Gelenkbeschwerden nicht unversehens; sie schleichen sich an und werden lange nicht richtig interpretiert. Weil chronischen Beschwerden einer Behandlung oft widerstehen, sollte man auch leisen Anzeichen von Gelenksproblemen Aufmerksamkeit widmen und rasch einen Chiropraktor aufsuchen. Er wird alles ihm Mögliche tun, um die Beschwerden so schnell wie möglich in den Griff zu bekommen und eine Chronifizierung zu vermeiden.

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Erschienen in "Rücken&Gesundheit", der Zeitschrift der Patientenorganisation Pro Chiropraktik. Autor: Dr. Marco Vogelsang, Chiropraktor
Wir bedanken uns herzlich für die Genehmigung zur Publikation auf unserer Webseite.


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